„Die Arbeiter haben kein Vaterland!“

Wie schön es wäre, Karl Marx hätte mit seinem Ausspruch recht behalten. Doch gerade die deutschen Arbeiter sind bereit alles zu schlucken, wenn es um das Wohl der Nation geht. Und nicht nur das: Die deutschen Werktätigen meinen auch noch, sich an die Spitze des nationalistischen Mobs stellen zu müssen, um nicht nur den Sozialismus, sondern vor allem sich selbst als Individuum zu verraten. Gerhard Schröder, dessen rot-grüne Kamarilla in einem Tempo den Sozialstaat abbaut, in dem es Christdemokraten und Liberalen wahrscheinlich nie gelungen wäre, braucht nur einmal ein paar distanzierende Worte zur transatlantischen Freundschaft zu raunen, schon finden sich die Gewerkschaften mitten im Getümmel der Friedensbewegung neben Islamisten, Christen und anderen Besessenen wieder. Die breit angelegte Werbetrommel für Schröders Machterhalt wurde vom DGB mit inszeniert. Die Wut der Einzelnen über Arbeitslosigkeit, Massenelend und die eigene Überflüssigkeit im kapitalistischen System wurde wieder einmal von den Funktionären auf äußere Feindbilder abgelenkt. Die Demonstranten ignorierten Schröders gnadenlos neoliberale Politik und reihten sich in die deutschnationale Tirade vom eigenständigen Großmachtanspruch gegenüber den USA ein. Ohne mit der Wimper zu zucken, ließen sich die Arbeiter für die nächste Stufe im imperialistischen Programm der rot-grünen Regierung gewinnen. Nachdem sie sich bereits im Kosovo-Krieg zu großen Teilen hinter ihre Regierung gestellt hatten, sind sie nun bereit den Aufbau einer eigenständigen europäischen Armee unter deutscher Führung, sowie den Hegemonialanspruch der BRD und Frankreichs innerhalb der EU mitzutragen, die im jüngsten Konflikt mit den USA auf die Erpressung kleinerer Mitgliedsstaaten hinauslief.

Doch ist diese nationalistische Initiative keineswegs ein Manöver des Kapitals, sondern entspringt der Denkweise der deutschen Arbeiter selbst, die nicht nur ihre Funktionäre und Regierenden mit an die Spitze gewählt, sondern auch die antiamerikanische Kampagne der Herrschenden verinnerlicht und zu ihrer ureigenen Mission erklärt haben. So wie die Regierung Schröder und der ihm treu ergebene DGB den Volkswillen kitzelt, so eifern die Massen der Kriegserklärung an die USA entgegen. Die Reihen sind auch in diesem anderen Krieg geschlossen. Gerade weil er scheinheilig „Frieden“ genannt wird, um zu vertuschen, auf welch barbarische Zukunft die deutsche Friedenspolitik hinausläuft. Einen Vorschein deutschen „Friedens“, der überall auf der Welt durchgesetzt werden soll, war der Kosovokrieg, in dem Joschka Fischer der terroristischen UCK zur Macht verhalf, welche seit der Kapitulation der jugoslawischen Regierung alles daran setzte, Serben, Juden, Sinti und Roma aus dem Kosovo zu vertreiben.

Doch nicht nur der Krieg, also die militärische Durchsetzung nationalstaatlicher Interessen, sondern auch der Frieden, also die Aufrechterhaltung machtpolitischer Konstellationen, ist ein Instrument des Imperialismus. Die für an Emanzipation und Fortschritt interessierten Menschen entscheidende Frage ist also nicht „Krieg oder Frieden?“, sondern „Krieg gegen wen?“ und „Frieden mit wem?“ Die Frontstellung Schröders gegen die USA war nicht nur eine Wahlkampftaktik. Es ist die Besonderheit des deutschen Imperialismus, der mit Friedensverheißungen sich nicht nur der eigenen Vergangenheit entledigt, sondern dass er zugleich sich der Aufklärung entgegenstellt und völkischen Diktatoren die Treue hält. Die Aufklärung hat die Menschen aus den Fängen des Glaubens befreit, hat die Gleichheit aller möglich gemacht und die Grundlagen für eine solidarische Gesellschaft frei assoziierender Individuen geschaffen. Der deutsche Frieden will das Gegenteil: Die Einordnung der Menschen in völkische Kollektive, die negative Versöhnung der Klassenwidersprüche im Hass auf das Fremde, die Unterordnung individueller Bedürfnisse unter den Willen der Gemeinschaft.

Wer Parolen gegen George W. Bushs war on terrorism schwingt, der hat sich nicht der internationalen Solidarität mit den Unterdrückten geschweige denn den Proletariern aller Länder verschrieben, sondern der hält faschistischen Terrorregimes die Stange. Terrorregimes, die, wie im Irak bei der Machtübernahme des Baath-Regimes geschehen, eine ihrer Hauptaufgaben darin sehen, die kommunistische Arbeiterbewegung zu zerschlagen und ihre Anführer zu ermorden.

Die alltägliche Kränkung des kapitalistischen Subjektes, welches permanent mit der Tatsache konfrontiert wird, seine Bedürfnisse nicht ausleben zu können, bewirkt die Neigung, sich die Ursache des Elends als Verschwörung vorzustellen. Lediglich die dem Individuum innewohnende Vernunft bietet die Möglichkeit, die schwer zu durchschauenden Verhältnisse zu verstehen und zu kritisieren, anstatt einen Sündenbock auszumachen, der durch seine „natürliche Bosheit“ dem Glück der Menschen entgegenstehe. Die allgemeine Tendenz des kapitalistischen Subjektes, nicht etwa die Forderung aufzustellen, am gesellschaftlichen Reichtum teilhaben zu können, sondern - im Gegenteil - das gleiche Elend für alle zu fordern, führt im Krisenfall zu noch Abstruserem: Da solidarisiert sich das vom Kapital historisch vom Reichtum getrennte Proletariat mit den rückschrittlichsten Regimes der Erde und verkauft sein Engagement für noch den frauenfeindlichsten und auf totale Unterordnung setzenden Despoten als Projekt der Emanzipation.

Anstatt sich dieser Heuchelei entgegen zu stellen, den Krisenverwaltern in den Regierungen, Parteien und Gewerkschaften eine Absage zu erteilen, die mal wieder die Folgen der kapitalistischen Warenproduktion auf die sozial Schwachen abwälzen wollen, um deren Voraussetzungen aufrecht zu erhalten, marschieren die meisten Arbeiter treudoof mit. Sie merken dabei nicht einmal, dass sie ums Leben betrogen werden. Bundeskanzler Schröder ist austauschbar wie der Arbeiter in der Fabrik, wie der Unternehmer, der sich als großer Organisator der Produktion aufspielt. Jeder gehorcht bewusstlos dem ungeschriebenen Gesetz der Warenproduktion. Das Kapital kennt keinen Masterplan und es existiert auch keine Verschwörung. Der Kapitalismus hat die Ausrichtung der gesamten Gesellschaft nach dem sich selbst stetig reproduzierenden Zwang zur Anhäufung von Mehrwert zur Folge. Das Geld wird angehäuft, in den Produktionsprozess eingespeist, um wieder mehr Geld anhäufen zu können. Ein Teufelskreis, der Millionen das Leben kostet, der niemals aufhört, es sei denn, die kapitalistische Ordnung wird gestürzt und ein neue Gesellschaft aufgebaut, die ihre Produktion an den Bedürfnissen aller Menschen orientiert.

Wie Edmund Stoiber, Claudia Roth, Wolfgang Gehrcke oder Guido Westerwelle sofort zum Büttel des Kapitals würden, wenn sie mit der Macht zur Organisation des Nationalstaates von der Bevölkerung ausgestattet würden, so zeigt auch Schröder, dass die Sozialdemokratie durchaus fähig ist, die Bedürfnisse der Lohnabhängigen denen des Standortes Deutschland unterzuordnen. Nicht nur das: In rasender Eile und bevor die nächste Bundestagswahl vor der Tür steht, wickelt Schröders Kabinett den Abbau des Sozialstaates ab. Bereits jetzt konkret angekündigte Maßnahmen sind die Streichung des Krankengeldes nach der sechswöchigen Lohnfortzahlung, die Begrenzung der Bezugsdauer für das Arbeitslosengeld sowie die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe.

Es ist an der Zeit, mit der deutschen Nation zu brechen. Es ist an der Zeit, sich weder von den scheinbar „eigenen Leuten“ irgendwelche Sachzwänge einreden zu lassen, noch das Wohl der Nation mit dem Wohl aller zu verwechseln. Schluß mit deutschem Frieden, der nur ein anderer Krieg ist!

Her mit Kommunismus!

Das Vaterland zum Teufel jagen!


(30. April 2003)

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