Deutscher Antirassismus:
Staatsfetischismus und Israelhass

Unter dem Titel „MigrantInnen unter Generalverdacht (?)“ fand am 04.07.2003 in der Alten Feuerwache in Köln eine Mobilisierungsveranstaltung zum 6. Antirassistischen Grenzcamp statt, die von der Kölner Gruppe Food Not Bombs (im folgenden FNB) organisiert wurde. Der Referent war Dr. Rolf Gössner, Jurist, Publizist (z. B. für die antiamerikanische Zeitschrift Ossietzky) und Präsident der Internationalen Liga für Menschenrechte. Auf dem Flugblatt, mit dem FNB zu besagter Veranstaltung einlud, wurde aus einer Rede zitiert, die Gössner auf der Attac-Demonstration am 14. September 2002 in Köln gehalten hatte. Das Zitat machte klar, worum es gehen sollte: dass „Fremde zu gläsernen Menschen gemacht (werden)“; also nicht darum, dass Menschen überhaupt erst als Fremde definiert werden. Nach der Lektüre dieses Flugblattes musste jedem klar sein, dass diese Veranstaltung mit Kritik (gar am Rassismus) nichts zu tun haben, staatsaffirmativ und auf jeden Fall sterbenslangweilig sein würde.

Der Abend begann mit einer Stellungnahme von FNB zur Raumvergabe-Politik der Alten Feuerwache, die sich an der Tatsache festmachte, dass der Gruppe Casablanca vor einiger Zeit alle bereits zugesicherten Räume abgesagt wurden, da diese Gruppe dem „antideutschen Spektrum“ zuzuordnen sei und zwei der eingeladenen Referenten den „imperialistischen Krieg“ der USA befürworteten. Trotz dieser notwendigen Kritik sei es aber immer noch wichtig, dass es die Alte Feuerwache gebe, da es, wie man selbst gesehen habe, sehr schwer sei, in Köln Veranstaltungsräume zu bekommen. Die Bedingung dafür, dass die Alte Feuerwache Raum-Suchende aus diesem Dilemma befreit, war sodann auch die Grundlage des weiteren Verlaufs des Abends: Die Absage an jegliche Form von emanzipatorischer Gesellschaftskritik.

Gössner, der als Thema seines Referats den „Ausbau des Überwachungssystems gegen Migranten“ angab, begann mit einigen Worten, die auch fast drei Monate nach der Befreiung der irakischen Bevölkerung von der Baath-Diktatur offensichtlich noch immer auf keiner linken Veranstaltung fehlen dürfen: Dass der Krieg der USA „völkerrechtswidrig“ gewesen sei, „Gefühle des Hasses“ produziert und somit „den Terror befördert“ habe. In den darauf folgenden Ausführungen, deren Inhalt aus reiner staatsfetischistischer Propaganda bestand, gespickt mit einigen Verweisen auf verschiedene Aspekte der Sicherheitspakete des Innenministers Schily, die nicht mit dem Prinzip des bürgerlichen Rechtsstaats (resp. Verfassung, Bürger- und Menschenrechte etc.) zu vereinbaren seien, brachte der Referent seinen Verfassungspatriotismus am deutlichsten auf den Punkt, als er seinem Verständnis für die Politikverdrossenheit der deutschen Jugend Ausdruck verlieh: „(...)dieser Staat hat es verdient, dass ihm mit gesteigertem Misstrauen begegnet wird“. Wer die Ankündigung zu dieser Veranstaltung nicht richtig gelesen hatte und deshalb auf antirassistische Kritik hoffte, wartete vergeblich.

Die Veranstalter schien das alles nicht zu stören. So konnte der eingeladene Demagoge im weiteren Verlauf sogar, ohne wenigstens dann endlich unterbrochen zu werden, die Stasi mit der Gestapo gleichsetzen, behaupten, dass die „Reaktionen auf die Terroranschläge (vom 11. September, GWG) wesentlich stärkere Schäden am demokratischen System anrichten, als es diese selbst vermochten“ und, freilich nicht ohne ausdrücklichen Verweis auf den Nahostkonflikt, feststellen, dass „Terrorismus (...) zu hohem Maße aus der Erfahrung von Demütigung (entsteht)“, anders ausgedrückt also, dass die Juden „zu hohem Maße“ selbst daran Schuld sind, wenn das palästinensische Selbstmordkollektiv sie vernichten will.

Das alles sind nur wenige Auszüge aus einem durch und durch deutschen und deshalb bekämpfenswerten Vortrag. Die Tatsache, dass von FNB weder während des Vortrags, noch in der anschließenden Diskussion Kritik an Gössner geäußert wurde, war aber nicht überraschend: Man wusste, wen man sich eingeladen hatte. Allein die Attac-Rede von Gössner (abgedruckt in Freitag, 20.09.02), aus der FNB in ihrem Flugblatt zitierte, enthält Folgendes: „(...) wäre es Pflicht der Regierung gewesen, Realitätssinn und Augenmaß zu bewahren (...)“; „Könnte es also nicht sein, dass die sicherheitspolitischen Reaktionen auf die Terroranschläge weit größeren, nachhaltigeren Schaden an Demokratie und Freiheit anrichten, als es die Anschläge selbst vermochten?“. Auch dies ist wiederum nur die Spitze des Eisbergs, ganz zu schweigen von den diversen anderen Artikeln Gössners, die im Internet zu finden sind.

Alles in allem ist leider festzustellen, dass FNB die autonome Kuschelgruppe geblieben ist, die sie einst war und sich nur insofern verändert hat, dass sie, anstatt auf der Domplatte veganes Essen zu verteilen, mittlerweile Politik machen will, wobei sie sich aber durch solche Veranstaltungen in die konterrevolutionären Reihen von Attac und Antifa-K eingliedert.


(7. Juli 2003)

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