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Redebeitrag zur Kundgebung
„Fence Out Terror!“
Ein Mann, der heute auf der Konferenz sprechen wird, verdient es, eingehender
behandelt zu werden. Nicht, weil das, was er zu sagen hat, etwas bahnbrechend
Neues wäre, sondern weil er im antizionistischen Gefüge eine
besondere Funktion einnimmt.
Die Rede ist von Moshe Zuckermann, von dem die links-antisemitische Zeitschrift
analyse + kritik schreibt: „Der jüdische Gelehrte
Moshe Zuckermann wird in der deutschen Öffentlichkeit vorwiegend
als Historiker und Autor Zionismus-kritischer Schriften wie 'Zweierlei
Holocaust' wahrgenommen. Er gilt auch als intellektueller Protagonist
der israelischen Linken, die sich gegen die Großisrael-Ideologie
und für eine Beschleunigung des Friedensprozesses in Palästina
ausspricht." ( ak Nr. 483, S. 6) Sämtliche Linken
in Deutschland sind froh, endlich einen israelischen Juden gefunden zu
haben, der ihnen - auch noch in einem intellektuell klingenden, strukturalistischen
Jargon verpackt - bestätigt, dass Israel ein Unrechtsstaat ist. Er
ist der Held der sogenannten 'differenzierten Linken', die sich
bisweilen von der Konkret bis zur Jungen Welt erstrecken
kann.
Soweit zur Rezeption Zuckermanns in Deutschland. Was aber ist mit Zuckermann
selbst? Wird er ständig nur von deutschen Antizionisten „instrumentalisiert"
und „missbraucht", wie Hermann Gremliza, der Herausgeber
von Konkret, in der Einleitung zum Interview-Buch „Zweierlei
Israel?" schreibt? Eins jedenfalls ist sicher: Moshe Zuckermann
weiß, mit wem er heute auf dem Podium sitzt. Er wurde darüber
informiert und sagte trotzdem nicht ab. Was also ist sein Anliegen? Ist
es so, wie Juliane Wetzel vom Institut für Antisemitismusforschung
gegenüber der Kölner Programmzeitschrift Stadt Revue
mutmaßte? „Einige Referenten kenne ich nicht, ich kenne
Moshe Zuckermann, der ist sicherlich gut. Vielleicht sagt er: Ich will
dort die andere Position vertreten."
Gewiss nicht. Zuckermann weiß, wo und mit wem er spricht und trotzdem
begibt er sich wieder in die Rolle des Vermittlers zwischen offen antisemitischen
Positionen und dem scheinbaren Anti-Antisemitismus der Berliner Republik.
Er ist der, der zuerst die Forderung nach der Auslöschung Israels
verurteilt, um sogleich damit fortzufahren, die angeblichen Argumente
der Antizionisten aufzugreifen und sie in eine - wie sagt man so hässlich
- diskursfähige Sprache bringt. Ein paar Beispiele gefällig?
Laut Zuckermann sind die einstigen Opfer, also die Juden, nun selber zu
Tätern geworden, ganz so, wie es die Deutschen beständig formulieren,
um einerseits den Holocaust zu verharmlosen und ihn andererseits im Nachhinein
zu rechtfertigen: „Es sind nicht mehr die Juden, die sich gegen
eine Bedrohung wehren müssen, sondern Juden bedrohen andere."
(ZI, S. 13) Die Juden sind also keiner Bedrohung mehr ausgesetzt,
denn Selbstmordattentate sind laut Zuckermann nicht Ausdruck eines vernichtungswütigen
Antisemitismus, sondern „Gegengewalt": „Die
innere Logik von Okkupation ist Gewalt und Gegengewalt - ob nun Sharon
regiert oder Netanjahu, Rabin oder Barak." (ZI, S.
40) Schon 1948 ging es laut Zuckermann „nicht um essentiellen
Antisemitismus, es ging um Land und den Kampf darum." (ZI,
S. 41) Denn „was Palästina betrifft, müssen wir, bevor
wir über Antisemitismus reden, über den arabischen Antizionismus
vor der israelischen Staatsgründung reden. Diesem Antizionismus geht
es um etwas ganz Konkretes. Der Zionismus ist ihm ein Fremdkörper,
der in das palästinensische Land gekommen ist." Anstatt
aus dieser Gegenüberstellung von Konkretem und Abstraktem den Schluss
zu ziehen, dass schon 1948 der Antizionismus der Palästinenser antisemitisch
motiviert war, räsonniert Zuckermann: „Da geht es um eine
konkrete materielle Auseinandersetzung, einen Konflikt um Ressourcen,
nicht um ein Vorurteil. Es geht um Ausbeutung der Palästinenser,
die auf den Plantagen der Siedler die allerbilligste Arbeitskraft waren.
(...) Die zionistischen Einwanderer waren Kolonisatoren. Man kann den
Hass, der ihnen - übrigens nicht von Anbeginn - begegnete, nicht
als Antisemitismus apostrophieren." (ZI, S. 134)
Kein Wort über die antisemitischen Pogrome vor der Staatsgründung
Israels, kein Wort über die Rolle des Muftis von Jerusalem, kein
Wort über das Ziel des arabischen Krieges gegen Israel von 1948.
Stattdessen: „Man kann verstehen, dass die Palästinenser
aus ihrer Leiderfahrung eine Aggression entwickeln." (ZI,
S. 119) Oder an anderer Stelle: „Ein Standardspruch auf Israels
Fußballplätzen heißt: 'Tod den Arabern.' Und so kann
man vielleicht auch verstehen, dass es Israelis gibt, die den Arabern
wie Ungeheuer vorkommen." (ZI, S. 91) Zuckermann zielt
darauf ab, den palästinensischen Antisemitismus zu leugnen. In diesem
Sinne ist er für die Antizionisten unersetzlich, weil er, anders
als die berüchtigten Scharfmacher, nicht als Antisemit auftritt.
Nicht nur den aktuellen Antisemitismus, der in der mörderischen palästinensischen
Intifada seinen praktischen Ausdruck findet, leugnet Zuckermann fast vollständig,
sondern überdies relativiert er auch die Singularität des Holocaust,
in dem er den Antisemitismus als eine Unterdrückungsstruktur unter
vielen behandelt. In seiner Sprache und der des Finkelstein heißt
das: „Ich will die Shoa aus der partikular zionistischen Rezeption
in ihre universelle Bedeutung heben." (ZI, S. 31)
Und angewendet bedeutet dieses Vorhaben folgendes: „Was war
mit der schwarzen Sklaverei? Was war mit dem Völkermord an den Indianern?
Damit soll Auschwitz mitnichten relativiert werden, sondern nur bewusst
gemacht, dass Auschwitz Vorformen hat." (ZI, S. 91)
Ist erst mal diese schöne Gleichung aufgestellt, fallen alle Schranken.
Dann kann auch hemmungslos die israelische Selbstverteidigung mit der
Vernichtungspolitik der Nazis analogisiert werden: „Es geht
um eine Situation, in der das Opfer nicht mehr fähig ist, etwas gegen
seinen Schlächter auszurichten - ob dessen Ziel, wie im Warschauer
Ghetto, der Völkermord ist oder nicht." (ZI, S.62)
Denn alles ist dem postmodernen Schwätzer nur eine Frage der Struktur,
des „Kontextes" oder der „Positionierung".
Wie die Warenbesitzer an den Waren nur den Gebrauchswert und die Produzenten
an der Arbeit nur die konkrete sehen, gehen die Postmodernen dem objektiven
Schein auf den Leim. Anstatt sich auf die Suche nach dem Wesen, also nach
der Wahrheit, zu begeben, affirmieren sie das fetischistische Denken und
erklären jeden, der sich mit Standpunkten, Meinungen und Sprechorten
nicht zufrieden geben will, zum Totalitaristen.
Bei Zuckermann wird es dann besonders übel, wenn er über Antisemitismus
spricht: „Wenn im jüdischen Ghetto der Widerstand aussichtslos
war, galt es - und gilt es noch im nachhinein - als große Heldentat,
so viele Deutsche wie möglich mit in den Tod zu nehmen. Es kommt
ganz darauf an, wer der Redner ist. Im palästinensischen Narrativ
stellt sich die Sache so dar: Wir sind zu nichts mehr fähig. Die
Israelis zerstören unsere Infrastruktur, destruieren unsere Lebenswelten,
sie morden, sie erniedrigen uns, sie haben, bevor einer von uns den Bus
in die Luft gejagt hat, 56 Palästinenser umgebracht - da mussten
wir zumindest ein Zeichen setzen." (ZI, S. 61) Der
deutsche Feuilletonist erkennt aus solchen Aussagen instinktiv, dass dies
ein Argument für seine Gewaltspirale-Theorie ist. Und leugnet, dass
es den Palästinensern nie und nimmer darum ging, Zeichen zu setzen,
sondern immer darum, Juden zu töten. Für Zuckermann aber ist
alles klar: „Ich meine übrigens nicht, dass der Selbstmordattentäter
etwas so spezifisch Palästinensisches ist. (...) Man denke nur an
das Hipphipphurra, mit dem Hunderttausende in den ersten Weltkrieg gezogen
sind. Oder etwa an die jugendliche Selbstaufopferung für das junge
Israel und ihre poetische Verherrlichung." (ZI, S.
61) Ist ja auch irgendwie dasselbe.
Moshe Zuckermann ist nicht der kritische Kopf, als der er immer so gerne
dargestellt wird und als der er sich selbst darstellt. Im Gegenteil: Begriffe
können erst dann zu kritischen Kategorien werden, wenn sie eines
nicht sind: Beliebig. Die Beliebigkeit aber ist Zuckermanns theoretisches
Programm. Mal ist der Antisemitismus gefährlich und durchaus wahnsinnig,
nämlich dann, wenn man ihn mit dem Vorgehen der Israelis vergleichen
kann, mal ist er lediglich eine Reaktionsbildung, für die man Verständnis
aufbringen muss. Der sogenannte Nicht-Zionist entpuppt sich als wortreicher
Vertreter eines politisch korrekt formulierten Antizionismus, der sich
nichts mehr wünscht, als Israel endlich von seinem Charakter als
jüdischer Staat zu befreien: „Was geschaffen werden muss,
ist nicht ein jüdischer Staat, sondern ein israelischer Staat, der
sich in den Nahen Osten integriert, der in dem was man den neuen Nahen
Osten genannt hat, aufgeht." (ZI, S. 129)
Worauf aber derlei Postzionismus in Zeiten der antisemitischen Raserei
hinauslaufen muss, dürfte jedem klar sein, der die Mörder von
Hamas und Islamischem Jihad ernst nimmt. Israel muss
als Zufluchtsort vor dem Antisemitismus ein jüdischer Staat bleiben,
weil sonst die Schaffung eigener Wehrhaftigkeit zunichte wäre und
die Juden wieder auf den good will der nicht-jüdischen Gesellschaften
angewiesen wären, um zu überleben. Nach Auschwitz und angesichts
des aktuellen, sich global austobenden, Antisemitismus sind die post-
d.h. antizionistischen Überlegungen scharf zurückzuweisen. Und
gerade wenn Zuckermann derlei Thesen wissentlich unter Leuten diskutieren
möchte, die die Juden nach wie vor ins Meer treiben wollen, sind
solche Gespräche mehr als dummes Geschwätz: Sie sind die ideologische
Vorbereitung des antiisraelischen Krieges.
(5. Juni 2004)
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