Leserbrief

Betrifft: „Anti-deutsche Linke oder anti-linke Deutsche?“ von Isabel Erdem, in: Utopie kreativ, Nr. 192/Oktober 2006

Liebe Utopie kreativ-Redaktion,

etwas verwundert nahmen wir in der letzten Ausgabe ihrer Zeitschrift den Artikel von Isabel Erdem zur Kenntnis. Verwundert deshalb, weil die Rosa-Luxemburg-Stiftung von ihren Stipendiatinnen offensichtlich nicht einmal verlangt, korrekt zitieren zu können und die Redaktion der Utopie kreativ augenscheinlich ihrer Sorgfaltspflicht – zumindest in dem genannten Fall – nicht nachkommt. Andernfalls wäre es wohl kaum zu jenen sich im Artikel häufenden Schlampereien, Ungenauigkeiten und Unterstellungen gekommen. So wird etwa Bahamas-Redakteur Clemens Nachtmann kurzerhand in „Dachmann“ umbenannt und die Georg-Weerth-Gesellschaft in Fußnote fünf als „Georg von Werth Gesellschaft“ tituliert. Wir erwarten von Erdem ja gar nicht, mit der Geschichte der kommunistischen Bewegung und dem entsprechend auch mit dem Namen Georg Weerth vertraut zu sein, eine Überprüfung der Namen von Personen und Gruppen, über die sie schreibt, scheint uns hingegen doch zumutbar.

Doch mit bloßen Namensverfälschungen begnügt sich Erdem leider nicht, sondern unterstellt den Antideutschen auch Inhalte, die an den Haaren herbeigezogen sind. In unserem Falle etwa geht sie nicht nur fehl in der Annahme, wir seien eine „Antifagruppe“ (unsere Kritik am Antifaschismus wird auf einer Veranstaltung am 20. November erörtert werden, vgl. http://gwg-koeln.50webs.com/termine_alt_antifa2006.html), was sie in Fußnote fünf behauptet, sondern sie legt uns auch noch die Verteidigung von neonazistischen Gruppen in den Mund (S. 933). Als Beleg für diese abenteuerliche These - die sie wohl (sehr wissenschaftlich!) beim Internetforum Indymedia (vgl. http://de.indymedia.org/2003/10/63500.shtml) abgeschrieben hat – zitiert sie einen Auszug aus einem Referat, das eines unserer Mitglieder auf einer Veranstaltung zur Kritik des Massenansatzes der Antifa gehalten hat. Dort heißt es (vgl. Fußnote 19): „Um aber doch ein klares Feindbild in Köln zu haben, verpasst sie keine Gelegenheit, die rassistische Bürgerbewegung Pro Köln in eine Nazi-Partei umzulügen, die sie nicht ist, und den Nationalsozialismus damit um sein zentrales Element, den Antisemitismus (welcher eben bei Pro Köln nicht im Vordergrund steht), zu verkürzen und somit zu verharmlosen.“ (http://gwg-koeln.50webs.com/text_referat _antifa.html) Und weiter: „(…) der Antisemitismus, welcher unbestreitbar das wichtigste Merkmal des Nationalsozialismus ist, bei Pro Köln zwar vorhanden, aber eben nicht zentral ist.“ (http://gwg-koeln.50webs.com/text_antifa.html) Wenn also Erdem wirklich meint, die Charakterisierung einer Partei als „rassistisch“ sei eine Verteidigung, dann kann es mit ihrem proklamierten Antirassismus nicht all zu weit her sein. Unsere Kritik an Pro Köln ist übrigens in der Broschüre „Nazis? Demokraten? Anmerkungen zur Pseudo-Bewegung Pro Köln“ dokumentiert (http://gwg-koeln.50webs.com/text_prokoeln.html). Aber die war Frau Erdem wahrscheinlich zu ausführlich.

Kurz und gut: wir wollen Erdem gar nicht erklären, was sie da alles nicht versteht, vielleicht helfen ihr ihre Genossen ja dabei, MEW Band 23 zu erwerben, damit sie womöglich irgendwann einmal zwischen der Kritik der politischen Ökonomie und Lafontaine unterscheiden können wird (fetischistische Herrschaft des Werts versus „System der offenen Ausbeutung der Lohnarbeiter“ (S. 929)), aber wir bitten inständig darum, in Zukunft wenigstens den Mindestanforderungen an jede Analyse gerecht zu werden: korrektes Zitieren und Unterlassen von Interpretationen, die mit dem Geschriebenen nichts gemein haben.

Mit freundlichen Grüßen,

Georg-Weerth-Gesellschaft Köln

Köln, den 8.11.06


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