Dat es Pop: Vom bunten Hippie zum braunen Imam
Zum Auftritt Hadayatullah Hübschs im Studio 672

History of Pop nennt sich die im Studio 672 residierende Lesereihe zur derzeit in Köln weilenden Ausstellung Pop am Rhein, die sich laut Infotext als Beitrag „für die Entwicklung der Popkultur“ versteht und zeigen möchte, in welchem Maße Köln und Düsseldorf Ausgangspunkte für „die Verbreitung popkultureller Trends auf dem Gebiet der Musik, der Literatur und der bildenden Kunst“ waren.[1] Welche andere Stadt als Köln würde sich besser eignen, um das Loblied auf eine affirmative Ideologie wie der so genannten Popkultur zu singen, die noch immer alles bejaht hat, was das Volk mochte, wenn es nur schick und verwertbar genug daherkam? Was da ganz unschuldig als „Waffe für individuelle Distinktionskämpfe“ gefeiert wird, ist tatsächlich eine besonders gefällige Form des Mitmachens, die stets auf Anschlussfähigkeit abzielt. Pop ist, was der nächste „heiße Scheiß“ ist, und pop ist, wer schon jetzt weiß, was die Masse demnächst gut finden wird. Wie die Kulturindustrie jedoch gleichgültig gegenüber ihrem Inhalt ist, sich also alles einverleibt und zur Ware macht, so ist auch ihren Charaktermasken – den Kulturfuzzis und Szeneprominenten – völlig egal, was sie als subversiv und unheimlich kritisch abfeiern: so lange es nur zur Vermehrung ihres kulturellen Kapitals beiträgt, das ihre prekäre Existenz sichert. Popideologen sind gerade deshalb so gefährlich, weil sie unberechenbar sind.

Und so ist es auch keine allzu große Überraschung, dass die Veranstalter der History of Pop-Reihe zur ersten Lesung ausgerechnet Hadayatullah (Paul-Gerhard) Hübsch einluden, der in den Sechziger Jahren popkulturell mit dem Strom schwamm und Hippie wurde, sich Ende der Sechziger jedoch auf Sinnsuche begab und den Islam als restriktive Verzichtsideologie für sich entdeckte. Seither verläuft Hübschs Karriere als Vorzeigekonvertit sprunghaft. Nach zahlreichen Buchveröffen-tlichungen mit programmatischen Titeln wie Der Weg Mohammeds. Islam – Religion der Zukunft?, Paradies und Hölle oder Alles war Geheimnis. Vom LSD zum Islam wurde Hübsch nicht nur Pressesprecher der reaktionären Ahmadiyya-Gemeinde, sondern schrieb nebenbei noch ohne Probleme für alle größeren Tageszeitungen der BRD (Welt, taz, FAZ, SZ). [2] Dass die Ahmadiyya-Bewegung keineswegs „gemäßigt“ ist, wie so oft verlautbart wird, sondern religiös-verrückte Vorstellungen wie die propagiert, der Verzehr von Schweinefleisch würde „schwul machen“ [3], oder sich dafür einsetzt, lesbischen Frauen wegen der vermeintlichen Ansteckungsgefahr ein „Ausgehverbot“ zu erteilen [4], stört Hübschs Förderer offensichtlich nicht. So war er ganze acht Jahre lang Vorsitzender des „Verbandes deutscher Schriftsteller“ und arbeitet für den Hessischen Ethikrat.

Hübsch ist offenbar so pop, dass ihn nicht einmal seine Verstrickung in die organisierte Neonaziszene zu Fall bringt. So schrieb Hübsch mehrfach für die rechtsextreme Junge Freiheit und gab den NPD-Zeitungen Deutsche Stimme und Hier&Jetzt Interviews.[5] Wer nun einwendet, es komme darauf an, was er dort geschrieben oder geäußert habe, irrt sich. Wer einer Nazizeitschrift ein Interview gibt oder gar einen Artikel darin veröffentlicht, tritt bereits dafür ein, dass solche Positionen als diskutabel angesehen werden. Ein solches Verhalten trägt also aktiv zur Relativierung der deutschen Verbrechen bei. Da Hübsch aber auch inhaltlich den an ihn gestellten Erwartungen von Seiten der Neonazis gerecht wird, erübrigt sich die Frage ohnehin: Wenn Hübsch im Kontext einer Zeitschrift, die eine weitgehend antisemitische Leserschaft hat, schreibt, man müsse sich vor einer „Brunnenvergiftung“ schützen, dann liegt zumindest für die Leser nahe, dass er auf die antisemitische Legende von einer jüdischen Brunnenvergiftung anspielt. Wenn er dann fortfährt: „Es kann nicht bestritten werden, daß Menschen, die in ihrem Glauben gekränkt werden, zu unkontrollierten und unberechenbaren Reaktionen neigen können“, dann ist das eine implizite Legitimation eines Pogroms. Konsequent tritt Hübsch nicht für staatliche Maßnahmen gegen diejenigen ein, die zu solchen „unkontrollierten Reaktionen“ neigen, sondern gegen diejenigen, „die Emotionen schüren“. Wenn ein Nazi einen Schwarzen totschlägt, hat dieser eben seinen Glauben an das Herrenmenschentum gekränkt. Mit solch einer Irrenlogik ausgestattet macht sich auch Hübschs Tadel der Verurteilung eines Redakteurs, der eine Holocaust-Lüge abgedruckt hat, hervorragend in der Jungen Freiheit.

Auch die Tatsache, dass Hübsch in dem österreichischen Naziverlag Leopold Stocker [6] veröffentlicht, hindert augenscheinlich niemanden daran, Hübsch immer noch für einen Gesprächspartner in Sachen Dialog der Kulturen zu halten, anstatt ihn als braunen Imam wenigstens links liegen zu lassen und ihm nicht auch noch ein Forum für seinen wirren Unsinn zu bieten. Warum das so ist, warum Hübsch also immer noch als intellektuelle Leuchte reüssieren kann, obwohl er nur Blech absondert, das könnte im Wesen einer spezifisch deutschen Form der Popkultur begründet liegen, die wesentlich älter ist, als das den Poptheoretikern bewusst ist. In der Zeitschrift der Jugendabteilung der NPD, der Hier&Jetzt, führte Hübsch vor kurzem aus, welcher popkulturelle Diskurs ihn antreibt – und der ist in Deutschland auch bei nichtkonvertierten Deutschen sehr beliebt: „Realität ist doch eher, daß der Westen wie der Osten überschwemmt wird von einer ziemlich primitiven ‚Kultur’, die zudem ständig weiter verflacht. Die Vergnügungsindustrie à la Hollywood, Disneyland und Hitparade tritt ja kaum noch für Werte ein, die das Abendland als geistige Größe berühmt gemacht haben. Hinzu kommt das Überhandnehmen eines Steinzeit-Kapitalismus, in der der Mensch dem Menschen ein Wolf ist, in dem Ellenbogen-Mentalität, Eigennutz, Suchtverhalten und sexuelle Obsessionen regieren. In einer Art Kulturimperialismus haben die Produkte dieser Unkultur längst auch den Osten erobert, wo, wenngleich nicht so schamlos öffentlich wie im Westen, Pornographie, Betrügereien, Korruption und billigste Unterhaltung ebenfalls an der Tagesordnung sind.“ Diese braune Soße, die sich mit den Begriffen Antiamerikanismus, reaktionäre Kulturkritik und ressentimentgetriebener Antikapitalismus treffend benennen lässt, ist leider nicht nur in NPD-Zeitschriften beliebt. Der Glaube, dass der so genannte Amerikanismus wie ein Naturereignis über „uns“ hereinschwappe, ist so verbreitet, dass die deutschnationale Herkunft dieser Blut und Boden-Kulturkritik gar niemandem mehr auffällt. Und die diffusen Vorbehalte gegen – wahlweise – Steinzeit- oder „Turbokapitalismus“ (Helmut Schmidt) sind so pop, dass man meinen könnte, es habe niemals einen nationalsozialistischen Antikapitalismus gegeben. Die Sache mit der „Schamlosigkeit“ ist zum Verdrusse des Herrn Hübsch bislang hauptsächlich in islamischen oder freikirchlichen Communities als anrüchig durchgesetzt – aber was nicht ist, das kann ja noch werden, weiß der popkulturelle Avantgardist, der schon heute vorlebt, was morgen die ganze Welt denkt. Wohl deshalb ist Hadayatullah Hübsch beides zugleich, Nazi und Imam: Immer vorne dabei, wenn es darum geht, die Popkultur vor einer kulturimperialistischen Brunnenvergiftung zu schützen, die Unzucht und Sittenverfall in die schon dem Hippie Hübsch heilige „natürliche Ordnung“ bringt.

Es ist möglich, dass sie – als Zuhörer – nichts von Hübschs Umtrieben wussten; dass aber der Veranstalter sich entweder nicht genauer informiert hat, wen er da einlädt, oder frei nach dem Motto „Pop darf alles“ verfährt, ist schon ein starkes Stück. Wir bitten sie, ihre Empörung dem Veranstalter gegenüber zum Ausdruck zu bringen und dem Hadayatullah sein Geschwafel um die Ohren zu hauen. Denn einen „Soundtrack unseres Alltags“ (Infotext), der homophob, antisemitisch und autoritär ist, wollen jedenfalls wir nicht dulden.


Quellen:
[1] http://www.popamrhein.de/index.php?p=0.
[2] http://de.wikipedia.org/wiki/Hadayatullah_H%C3%BCbsch.
[3] Die Welt, 15.04.07.
[4] AMJ: 60 Fragen und Antworten: Homosexualität, zitiert nach: http://de.wikipedia.org/wiki/Ahmadiyya#_note-43.
[5] http://www.jf-archiv.de/archiv01/121yy52.htm; http://www.jf-archiv.de/archiv03/243yy07.htm; http://www.sachsenpublizistik.de/inhalt_detail-7-1-5.html; http://www.deutsche-stimme.de/Sites/03-03-huebsch.html. Die folgenden Zitate sind aus diesen Texten entnommen.
[6] http://de.wikipedia.org/wiki/Leopold_Stocker_Verlag; http://no-racism.net/article/1101/.


Köln, 23. Oktober 2007

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