Scheitern als Programm
Warum die Linke es nicht schafft, den Islam zu kritisieren

 „Der Islam verbietet Darstellungen von Nacktheit und Unmoral. Er verbietet, dass sich Männer und Frauen, die nicht verheiratet oder ersten Grades verwandt sind, berühren. […] In den vergangenen Jahrzehnten haben wir am Beispiel der westlichen Welt sehen können, dass die sexuelle Freiheit [...] Ursache für Perversität, unnatürliches sexuelles Verhalten und Krankheiten ist, derer man nicht mehr Herr wird. […] Der Prophet hat in seinen Ausführungen eine wichtige Unterscheidung getroffen. Diejenigen Ehebrecher, die nicht verheiratet sind, werden körperlich gezüchtigt und in die Verbannung geschickt. Die verheirateten Ehebrecher jedoch werden gesteinigt […]. Deswegen müssen auch alle Wege, die zu Ehebruch führen, verhindert werden: Zum Beispiel dürfen Frauen und Männer, die nicht verwandt oder verheiratet sind, nicht zusammen sein und sich verabreden. Sie sollen auch nicht so schauen und reden, dass man dies für die Vorbereitung eines Ehebruchs halten könnte. Es gibt auch einen Augen- und Zungenehebruch. […] Auch sollen Frauen nicht alleine reisen. Und sie müssen hinschauen, wie sie mit einem fremden Mann sprechen. Sie sollen alle Sinne kontrollieren, damit der andere sexuell nicht erregt wird. Frauen sollen ernsthaft und besonnen reden, und sie sollen sich schön zudecken, wenn sie vor die Türe gehen. […] Im Islam ist Homosexualität eine große Sünde. Analverkehr ist verboten, ebenso die Onanie. Wir mögen es nicht, wenn man sich mit der Hand befriedigt.“

(Zit. n. Kölner Stadtanzeiger vom 5. Juni 2008)

Diese Ausführungen über das Menschenbild des Islam entstammen nicht einer Videobotschaft von Al Kaida und auch nicht einem Flugblatt der Hamas im Gazastreifen. Es handelt sich um Auszüge aus einem Dokument, das zwar jederzeit von den genannten Gruppierungen unterschrieben werden könnte, aber von einer Organisation veröffentlicht wurde, die dem Selbstverständnis und der öffentlichen Meinung gemäß dezidiert „nicht islamistisch“ ist: Nämlich die türkische Religionsbehörde Diyanet, die in Deutschland Ditib heißt und in Ehrenfeld gerade eine 55 Meter hohe Moschee bauen möchte. Freilich, die Äußerungen stammen nicht von Ditib selbst, sondern „nur“ vom türkischen Geldgeber, der sie nach Protesten vorsichtshalber von der Website löschte. Die Ditib distanzierte sich im Handumdrehen von dem als Leitfaden für Imame gedachten Schriftstück, denn es ist kein Geheimnis, dass die Imame der Ditib von der Diyanet ausgebildet und nach Deutschland geschickt werden.

Was fällt der radikalen Linken dazu ein? Nichts. Sie akzeptiert die Distanzierung als hätte nicht die Ditib dutzende Male bewiesen, dass sie – wenn auch nicht so wünschenswert offen wie in dem zitierten Papier – eine reaktionäre, menschenfeindliche Ideologie vertritt. Die zitierten Anweisungen sind menschenverachtend in einem so umfassenden Sinne, dass sogar die Kennzeichnung als „frauenfeindlich“ und „homophob“ einer Verharmlosung gleichkommt. Das Hassobjekt des islamischen Gesinnungsterrors ist jedes nach Selbstbestimmung und Glück strebende Individuum. Seien es Frauen, die sich nicht mit der ihnen zugedachten Rolle als desexualisierte Hausfrau und Mutter abfinden wollen, seien es Männer, die den Männlichkeitszwang und das innereheliche Herrschaftsverhältnis ablehnen, seien es Intersexuelle, die sich nicht aus freier Entscheidung, sondern aufgrund sozialer Hetze und Drangsalierung zur Geschlechtsoperation genötigt sehen, seien es gar Kinder, die zu autoritären Neidbeißern und Duckmäusern zugerichtet werden. Dieser Hass auf Freiheit, Individualität, Autonomie und Genuss ist nicht nur ein Charakteristikum des so genannten „Islamismus“, sondern jedes Islam. So vielfältig und bunt sich der Islam präsentiert und für den Unwissenden erscheint: Solange er sich nicht von der Unantastbarkeit der religiösen Offenbarung distanziert – d.h. vom Koran als Wort Gottes –, wird es nur verschiedene Abstufungen eines grundsätzlich barbarischen Normensystems geben. Egal, welche muslimische Vereinigung man sich anschaut, man wird bei jeder von ihnen diese eingangs zitierten reaktionären Denkmuster, wenn auch vielleicht in mal milderer, mal radikalerer Form, finden. Daraus folgt, dass eine substantielle Unterscheidung zwischen Islamismus und Islam keinen Sinn macht, sondern das eigentliche Problem nur verschiebt und verdrängt. Ein kritischer Umgang mit dem Islam wäre die Solidarität mit all jenen Menschen, die Opfer dieses gesellschaftlich wirksamen Wahnsystems werden – und zwar unabhängig von ihrer Herkunft, Sprache oder Hautfarbe.

Dieser Solidarität verweigert sich die radikale Linke größtenteils. Zwar sprechen Antirassismus-Gruppen in Bezug auf Abschiebungen oft unspezifisch von drohender Verfolgung in den Heimatländern der Flüchtlinge, dass die Verfolgung etwa der iranischen Bahai oder irakischer Christen aber irgendetwas mit dem Islam zu tun haben könnte, verschweigen sie. Zu groß ist die Angst, einem vermeintlichen „antimuslimischen Rassismus“ Vorschub zu leisten. Dabei ist diese Angst zumeist selbst schon Ausdruck einer kulturalistischen Denkweise, die nicht vom unmittelbar bedrohten Individuum ausgeht, sondern die Welt als in kulturelle und völkische Gruppen eingeteilte immer schon voraussetzt. Dass die Kritik des Islam alle Ansprüche einer Ideologie in die Schranken verweist, welche die ohnehin unterm Kapitalverhältnis schon erdrückende Knechtschaft noch verschärfen will, erscheint vielen Linken daher als vermessen und „eurozentristisch“. Es ist aber nicht erst seit Karl Marx der Kommunismus universalistisch. Die gesellschaftlich produzierte Not des Einzelnen und die ideologischen Rechtfertigungen dieses Zustandes werden von den Kommunisten immer und überall bekämpft – und zwar auch dann, wenn sich Menschen bewusst für die Affirmation von Herrschaft und Ausbeutung entscheiden.

Nun ist es ein Glücksfall für die partikularistische Linke, dass es Rassisten wie die von Pro Köln gibt, die unter dem Deckmantel einer vermeintlichen „Islamkritik“ ihre schnöde Ausländerfeindlichkeit verbreiten. Dass diese Rassisten nun auch noch einen „Großkongress“ in Köln veranstalten wollen, behagt den Linken insgeheim, weil es ihre Ignoranz gegenüber den Opfern des Islam zu legitimieren scheint. Der Hauptgegner, so verkünden sie unisono, seien die „Faschisten“ und „Rechtspopulisten“. Das Schöne an diesem Gegner ist, dass ihn erstens kaum jemand mag und man deshalb wunderbar in die so geliebten Massen eintauchen kann, und dass zweitens alles andere neben ihm verblasst. Wo der Kampf gegen „Rechtsradikalismus“ zum Schicksalskampf um Europas Zukunft stilisiert wird, obwohl es sich bei den geschassten Ausländerfeinden doch tatsächlich um politische Außenseiter handelt, da wird jede Gesellschaftskritik aufgegeben.

Besonders drastisch zeigt sich das in einem Aufruf der Jugendorganisation der Linkspartei zur Verhinderung des „Anti-Islam-Kongresses“. Als wollte sie beweisen, dass man an den Rechtspopulisten nur hasst, dass sie eine zu große Konkurrenz für die Populisten in den eigenen Reihen darstellen, verkündet sie: „Ausländer und Deutsche gemeinsam für Arbeit und Arbeitsplätze!“ Die Trennung in Ausländer und Deutsche, die schon Lafontaine nutzte, um gegen „Fremdarbeiter“ zu hetzen, reproduzieren sie, um eine gemeinsame Arbeitsfront bilden zu können. Dass sowohl für einen Deutschen als auch für einen Türken Arbeit eine Zumutung ist, ein unter den gegebenen Verhältnissen notwendiges Übel, ignoriert die Linksjugend, weil sie sich unter Sozialismus offenbar immer noch den Alptraum eines Volksstaates der Schaffenden vorstellt. Wie originär nationalsozialistisch ihre Identifizierung mit der Arbeit ist, wie sehr sie die Raffenden hassen, denen sie alles Unglück aufbürden wollen, äußert sich in ihrer Suada gegen „die Reichen und Kapitalbesitzer, die immer mehr Geld scheffeln auf Kosten der großen Masse der Bevölkerung“. Das könnte auch von der NPD sein.

Viel differenzierter fällt der Aufruf des Antifa AK der Uni Köln aus, der von verschiedenen regionalen und überregionalen antifaschistischen Gruppen unterstützt wird. Der AK würde vermutlich niemals Arbeit für Deutsche fordern und ist sich zudem des Problems islamischer Gewalt durchaus bewusst. Was sich aber bei der Linksjugend zeigte, die Aufgabe jeglicher Gesellschaftskritik angesichts der vermeintlichen Bedrohung durch „Rechtspopulisten“, schlägt auch beim AK voll durch. Obwohl vollmundig mit Begriffen wie „Emanzipation“ und „dialektischer Materialismus“ um sich werfend, hat er einen Aufruf für die soziale Marktwirtschaft, den so genannten „rheinischen Kapitalismus“, verfasst. Indem die Rassisten von Pro Köln und Co. nicht als besonders widerwärtige Sorte von Demokraten gefasst werden, sondern als „Rechtsradikale“, positioniert sich der AK auf Seiten der Freiheitlich-Demokratischen Grundordnung, die als Norm abgefeiert wird, von der man nicht abweichen dürfe. Auch für die Antifaschisten vom AK ist der Feind nicht die postnazistische Demokratie oder der mit ihr verbündete islamische Faschismus, sondern der so genannte „Neoliberalismus“. Dass die neoliberale Ideologie nur eine politische Strategie zur Aufrechterhaltung kapitalistischer Herrschaft unter anderen ist und wegen der ihr entgegengebrachten Feindschaft ohnehin kaum wirkmächtig ist, entgeht ihnen und so feiern sie allen Ernstes „Welfare-States, Staatssozialismus oder sozialdemokratischen Korporatismus“ ab, deren Aufgabe bedauerlicherweise „die Krisen auf politischer und sozialer Ebene verschärft und zu einem Kontroll- und Legitimationsverlust der politischen Systeme geführt“ habe. Anstatt sich über einen solchen angeblichen Legitimationsverlust zu freuen und kräftig daran mitzuarbeiten, ihn noch zu verstärken, also die Kritik zur Krise zu radikalisieren, übt der AK sich in ein Krisenbewusstsein ein, das ihn vielleicht doch einmal mit den Muslimen an einen Tisch bringen könnte. Die dauernde Rede von einer vermeintlich grassierenden Krise, welche die Menschen reaktionären Ideologien zutreibe, ist nichts weiter als eine Rationalisierung. Wer nicht den Kapitalismus selbst als Krise begreift, nämlich als tagtägliche Krise für den Einzelnen, der zu Arbeit und Loyalität angehalten und dem gesellschaftlicher Reichtum systematisch vorenthalten wird, der denkt wie ein Politiker, der sich von Berufs wegen um die Beseitigung konjunktureller Störungen Gedanken macht, weil er um den status quo besorgt ist.

Der in radikal klingende Phrasen verpackte Konformismus des Antifa AK ist aber nicht nur deshalb ein Ärgernis, weil er zu einer Kritik der kapitalistischen Produktionsweise auf der Höhe der Zeit offenbar unfähig ist, sondern auch weil er automatisch zur Verharmlosung der islamischen Ideologie und Praxis führt. Weil man die doppelte Frontstellung gegen Pro Köln und Islam nicht aushält, kehrt man bereitwillig zur politischen Korrektheit des multikulturellen Diskurses zurück. Um der sozialen Akzeptanz willen trennt der AK den extremistischen Islamismus von einem angeblich unpolitischen Islam ab: „Von den islamischen Religionen führt kein notwendiger Weg in die Politik.“ Diese faustdicke Lüge, die den eminent politischen Charakter des Islam, die ihn vom säkularisierten Christentum und vom Judentum sowieso unterscheidet, einfach leugnet, muss qua offenkundiger Unsinnigkeit mit einem „Argument“ desselben Niveaus untermauert werden: „So lehnen viele Gläubige die direkte Allianz mit der Politik, die sie als Institutionalisierung weltlicher Herrschaft und derer Interessen sehen, um der religiösen Reinheit Willen ab.“ Na, bravo! Dass dieses „Argument“ nichts weiter beweist als dass der Islam „weltliche Herrschaft“ ablehnt, dass sein Telos also der Gottesstaat nach dem Vorbild der mohammedanischen Ära ist, bereitet dem AK auch dann keine Probleme, wenn dieses Verdikt darauf hinausläuft, dass gläubige Muslime notwendig Antizionisten sein müssen. Der antifaschistische Studentenverein hat sich vollkommen in den Fallstricken des freien Assoziierens verfangen. Als nächstes wird dem geneigten Leser nämlich die Einsicht präsentiert, die „transnationale ‚Umma’“ sei die „anti-okzidentale Version des ‚freien Weltenbürgers’“! Damit wäre wieder einmal bewiesen, dass ein Studium nicht vor Dummheit schützt. Der alte Kant jedenfalls drehte sich im Grabe um, müsste er derlei Interpretation lauschen.
Wer der Gleichsetzung zwischen freiem Weltbürger und Untertan der Umma sicherlich zustimmen würde, sind die antikommunistischen Referenten des „Anti-Islam-Kongresses“ von Pro Köln, die den Verein freier Menschen für eine weitaus unnatürlichere Gesellschaftsordnung halten als die Umma. Denn gegen den Islam haben sie eigentlich, wie sie auch regelmäßig betonen, gar nichts – bloß solle er aus Europa verschwinden. In ihrer Verblendung hat die versammelte Linke noch nicht einmal gemerkt, dass einige der auf der Konferenz auftretenden Redner sogar dezidiert proislamisch sind. Le Pen etwa traf sich erst kürzlich mit dem Euro-Islamisten Tariq Ramadan, der österreichische Neonazi Hans Christian Strache lobte noch vor einigen Monaten Mahmud Ahmadinedschad als „respektablen Politiker“. Was die europäischen Rechtsdemokraten und Nazis mit dem radikalen Islam gemein haben und wofür sie ihn bewundern, das ist die Abkehr vom westlichen Individualismus, dem organische Kollektivität entgegengestellt wird. Auch sie sind trotz aller Reden vom „Abendland“ vom antiwestlichen Ressentiment getrieben, das sich aus einem romantischen Eigentlich- und Ursprünglichkeitskult speist, der dem der Salafisten in nichts nachsteht. Doch von solchen Verbindungen will der Antifa AK nichts wissen.

Die unbestechliche Logik des AK ist dagegen zwar wenig überzeugend, dafür aber durchaus unterhaltsam. Als Quintessenz ihrer Überlegungen liefert sie folgende Scharfsinnigkeit: „Die Kritik des Islamismus muss eine Kritik am Rassismus in der Kritik am Islamismus beinhalten.“ Oder, gekürzt ausgedrückt: Der Boden der Grundlage ist die Bedingung der Voraussetzung. Wo kein Gedanke ist, da verweigert sich auch die Sprache. Und weil die Konfusion in den Köpfen der wackeren Antifaschisten grenzenlos zu sein scheint, laden sie sich echte Experten zum Thema ein, die auf einer so genannten „Antifa-Konferenz“ mit dem werbetauglichen Titel „Feel the difference!“ allerhand Unfug zusammen tragen werden. Welche Erkenntnisse von der Konferenz zu erwarten sind, lässt sich leicht vorhersagen, wenn man die Liste der Referentinnen und Referenten betrachtet. Wenn etwa Bernard Schmid wieder einmal eine seiner berüchtigten Antisemitismus-Relativierungen vom Stapel lässt und gegen jüdische Selbstverteidigungsorganisationen vom Leder zieht, dürfte der Kongress tatsächlich zu einem Spektakel werden. Auch auf die Ausführungen des linken Scharia-Experten Georg Klauda, der sich kürzlich öffentlich mit den Münchener U-Bahn-Schlägern solidarisierte, darf man gespannt sein. Ob der Antiimperialist Jörg Kronauer, der Zionistenfresser Freerk Huisken oder die um nationale Identität besorgte Zonen-Biggi Rommelspacher das ganze auflockern oder ob dafür die vielleicht widerwillentlich als Alibi-Islamkritiker fungierenden Feuerherdt, Blees und Krauss herhalten müssen, wird sich weisen. Glücklicherweise hat aber der Antifa AK selbst ein treffendes Schlusswort formuliert, das wir niemandem vorenthalten wollen: „Die Kritik am Islamismus, Antisemitismus und am Patriarchat […] scheint mit einer antirassistischen Positionsbestimmung unvereinbar zu sein.“ Stimmt. Und genau deshalb muss sich die radikale Linke entscheiden, ob sie weiterhin einem ideologischen und im Kern selbst rassistischen Antirassismus die Stange halten oder ob sie sich endlich auf die Seite der u. a. vom Islam bedrohten Individuen stellen will. Eine solche Parteinahme schlösse kraft innerer Logik die Solidarität mit dem jüdischen Staat sowie die Unterstützung des Krieges gegen den islamischen Terror ein.

Georg-Weerth-Gesellschaft Köln
Gruppe Morgenthau, Frankfurt/M

Köln, 12. August 2008

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