Kein Friede mit dem antizionistischen Europa!
Gegen Illusionen in der israelsolidarischen Szene

Flugschrift anlässlich der Kundgebung Keine Geschäfte mit den Mullahs! Stoppt den Steiner-Deal mit dem Iran! am 30. August 2008 in Siegen

Es ist doch ein Kreuz. Da zeigt ein Mitglied der Regierungspartei CDU, Hartmut Schauerte, der gleichzeitig Staatssekretär ist, was seit langem die politische Linie der Bundesregierung in Bezug auf den Iran ist, und alle schreien „Skandal!“. Anstatt den Fall des SPG-Deals zum Anlass zu nehmen, Tacheles zu reden und die Kritik des Antizionismus auf die Bundesregierung und ihre Anhänger in Tageszeitungen wie SZ, taz und FR zu beziehen, will man gerade jene auf seine Seite ziehen. Von der Bundesregierung fordert man, sie solle „gezielte politische und wirtschaftliche Sanktionen gegen das iranische Regime erlassen und solche Sanktionen auf internationaler Ebene forcieren“, obwohl sie doch soeben nur wieder einmal bewiesen hat, dass sie eben das nicht im Sinn hat. Die deutsche Presse will man, so legt es der Einladungstext zur Kundgebung nahe, um jeden Preis zum Berichten bringen – wo man doch weiß, was dabei herauskommt. Und zu allem Überdruss biedert man sich auch noch an das deutsche Staatsvolk an, über das mittlerweile zahlreiche empirische Studien Klartext gesprochen und es als mehrheitlich antizionistisch ausgewiesen haben. So bedient man die Angst vor der Bedrohung Europas durch den Iran, die doch nur sehr vermittelt gegeben ist: „Ein atomar bewaffneter Iran wäre nicht nur für Israel eine unberechenbare Gefahr, die unbedingt verhindert werden muss.“ Das „nicht nur“, in dem das Bekenntnis zu Europa steckt, spricht – wenn auch etwas verdruckst – aus, dass mit der Israelsolidarität in Deutschland weder ein Blumentopf noch eine größere Anzahl von Anhängern zu gewinnen ist. Über diese Tatsache schweigt man sich aber – im Interesse der Sache, wie es heißt – aus und stellt dafür lieber im Stile der Friedensbewegung moralische Forderungen: „Wirtschaftliche Interessen“ müssten, meint man, „gerade im Fall des Iran zurückstehen“. Denn es dürfe „keine Unterstützung geben für ein Regime, das nach Atomwaffen strebt, den Holocaust leugnet und Israel mit der Vernichtung droht!“ Dass es aber – obwohl aus der Hauptstadt kommend – nicht das Mideast Freedom Forum ist, das bestimmt, was sein „darf“ und welche Interessen zurückstehen „müssen“, sondern eben jene, die man früher einmal – als einem das Kommunistsein noch nicht peinlich war – als die Herrschenden bezeichnete, drückt die Illusionen aus, die man sich in der israelsolidarischen Szene macht. Die eigene Ohnmacht darf nicht zugegeben werden, stattdessen muss man unbedingt positiv werden und sich wie ein Musterdemokrat verhalten. Und das – selbstverständlich – im Interesse Israels, denn unter der selbstlosen Rettung des Judenstaates macht man heute gar nichts mehr.

Wir fordern dagegen nicht die Bundesregierung, sondern die hier versammelte israelsolidarische Szene auf, endlich ätzende und beißende Ideologiekritik zu üben – besonders an der Bundesregierung und ihren ideologischen Zulieferern und Nachplapperern. Dass die wegen ihres explizit pazifistischen Eintretens für Israel so gelobte Angela Merkel einer Regierung vorsteht, die in Gestalt des Staatssekretärs im Auswärtigen Amt, Gernot Erler, Israels “Provokationen“ verdammt und sich zugleich als ehrlicher Bündnispartner der arabischen Staaten andient, wird von vielen nur als mysteriöser Widerspruch wahrgenommen. Stattdessen verweist dieser vermeintliche Widerspruch doch nur auf den antiimperialistischen Pazifismus als Basisideologie der europäischen Führungsnation Deutschland. Israel beizustehen bedeutet in dieser Logik, es von „Abenteuern“ und „Alleingängen“ abzuhalten, für den Frieden einzutreten bedeutet, mit aller Macht die islamischen Gotteskrieger zu schützen und zu fördern. Wer angesichts dieses pazifistischen Wahns, der auf der so genannten „Erinnerungskultur“ und einer ganz besonderen Ausprägung von „Verantwortung für unsere Geschichte“ basiert, allen Ernstes nur Sanktionen fordert, um einen Krieg gegen den Iran doch noch verhindern zu können, und wer in einem Aufruf zu einer Kundgebung gegen den Iran die militärische Eliminierung des Atomprogramms der Islamischen Republik bewusst nicht thematisiert, der nährt nicht nur Illusionen, sondern spricht die Sprache der Friedensfreunde.*

Dass das von den meisten hier Versammelten nicht intendiert ist, mag sein. Dann wäre es aber dringend notwendig, einige lieb gewonnene Positionen zu revidieren oder zu schärfen.

In diesem Sinne:

Kampf dem Antisemitismus!
Gegen die pazifistische Kollaboration mit dem Iran!



Köln, 26.08.2008

* Dieser Satz wurde aufgrund berechtigter Kritik nachträglich verändert

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