Derselbe Kampf
Israel, der Aufstand im Iran und die Deutschen

Die Deutschen wollen bekanntlich nur das Beste für die Juden. Seit sie, wenn auch zu spät, von den Alliierten daran gehindert wurden, ihr Unternehmen zu vollenden, die Welt vom „jüdischen Bazillus“ (A. Hitler) zu säubern, fühlen sie sich aufgrund „der Geschichte“ besonders „verantwortlich“ für das Wohl der Bürger des Staates Israel. Deshalb gibt es eine vielfältige deutsch-israelische Zusammenarbeit in den Bereichen Bildung, Wirtschaft, Kultur und neuerdings dank Angela Merkel auch wieder verstärkt im militärischen Sektor. Aus dieser Zusammenarbeit leiten die Deutschen ab, „Freunde“ des israelischen Volkes zu sein und zwar – aufgrund der „Geschichte“ – ganz „besondere“. Und gute Freunde, das wussten schon Günter Grass und Joschka Fischer, müssen sich gegenseitig sagen, wenn etwas nicht stimmt. Und so ist es auch: Dass Israel sich gegen seine Feinde verteidigt, gefällt seinen deutschen Freunden überhaupt nicht. Weil die Deutschen aus der „Geschichte“ gelernt haben, dass Kriege unschöne Resultate zeitigen, raten sie ihren israelischen Freunden, es doch mal mit einem Dialog zu versuchen – man vermittele sogar, schließlich wisse man wegen der „Geschichte“ genau, wie die arabischen Nazis ticken. Dass Israel dieses Angebot zwar bisweilen gerne annimmt, sich dadurch aber nicht von verlässlicheren Methoden der Landesverteidigung abhalten lässt (manche nehmen auch homöopathische Mittel, ohne, wenn es Ernst wird, auf die Arzneien der Schulmedizin zu verzichten), wurmt seine deutschen Freunde. Denn nicht nur widersetzten sich die störrischen Juden den gut gemeinten Ratschlägen, nein, sie störten sogar, wie 59% der Deutschen einer Umfrage zufolge wissen, den „Weltfrieden“. Und an dem ist den Deutschen sogar noch mehr gelegen als an den Juden.

Weil Israel seit Jahren verkündet, den Bau einer iranischen Atombombe mit allen Mitteln verhindern zu wollen, weil diese schließlich seine Existenz ziemlich offen infrage stellt, haben die Deutschen in den letzten Jahren ihr Engagement in Sachen freundschaftlicher „Israelkritik“ noch verstärkt. Schlimmer als Krieg, so weiß man, ist überhaupt nichts; nicht einmal der Holocaust. Der Deutschen Chefdichter Martin Walser etwa will „aus verlorenen Kriegen lernen“. Er meint: „Es mag meine Privatsache sein, dass ich glaube, Kriege seien unter gar keinen Umständen zu rechtfertigen“. Unter keinen Umständen: Wenn Israel sich verhielte wie es seine Freunde wünschen, dann schaute es zu, wie der Iran sein Atomwaffenprogramm fertig stellt und schriebe offene Briefe an Ahmadinedschad. Es solle, so erklären die versammelten Nahost-Experten, gerade jetzt, angesichts des Aufstandes im Iran, bloß nicht den Gottesstaat angreifen, weil sonst die Bevölkerung gegen den gemeinsamen Feind geeint würde und dann alle Aussichten auf eine Demokratisierung und Liberalisierung des Iran vergeblich wären. Doch ist das wirklich so?

Die iranische Protestbewegung ist äußerst heterogen. Zwar behaupten die europäischen Medien unisono, Moussavi sei der Führer der Opposition, doch nicht nur die Spatzen, sondern auch nicht eben kleine Teile der Protestbewegung pfeifen von den Dächern, dass Moussavi keinen Deut besser ist als seine einstigen Kampfgefährten. Schließlich war Moussavi als Premierminister der Islamischen Republik acht Jahre lang mitverantwortlich für Folter und Mord an Tausenden. Dass die Iraner das vergessen haben sollten, ist sehr unwahrscheinlich. Sie wissen, wer Moussavi ist und dass er ein Präsidentschaftskandidat von Allahs (d.i. des Wächterrats) Gnaden ist. Zweifellos: Viele Iraner, die sich an den Demonstrationen gegen den Staatsstreich und den drohenden Putsch der Revolutionsgarden beteiligen, glauben, dass mit einem Präsidenten Moussavi das Leben wenigstens ein bisschen erträglicher würde. Andere – und ihrer sind es ebenfalls viele – halten sogar die „Islamische Republik“ für erhaltenswert, sie wollen nur einige Reformen, zum Wohle des Volkes und natürlich des heiligen Gottes im Himmel, der ihnen das grausige grüne Buch geschenkt hat. Doch sind unter den Protestierenden zugleich Demokraten, Kommunisten, Monarchisten; ja, wer weiß, ob nicht sogar einige Bakunin-Anhänger in dem Aufstand die Chance ihres Lebens sehen? Nicht zu vergessen sind all jene, die, wer will es ihnen verdenken, von Politik überhaupt nichts halten und nur endlich einmal Partys öffentlich und ohne Angst vor Schlägen und Folterungen feiern wollen, die auf der Straße mit ihrem Freund Händchen halten wollen oder ihre ausgefallene neue Haarfrisur den anderen Jungs und Mädels präsentieren möchten. Was diese verschiedenen Fraktionen eint, ist die Wut auf ein System, das den Ausnahmezustand zur Regel gemacht hat und das auf nichts anderem als Unterdrückung und nackter Gewalt basiert. Und sie ahnen, dass jede kleine Veränderung in diesem totalitären System, die sie erringen, das ganze System zum Einsturz bringen kann. Innerhalb kürzester Zeit ist die Einheit der verschiedenen Rackets – der absolute Führer Khameini – fragil geworden, des religiösen Führers Thron wackelt. Das Regime ist gespalten wie nie zuvor, sogar die militärischen Verbände – allen voran Armee und Pasdaran – stehen sich zunehmend feindlich gegenüber. In dieser Situation könnte es beim kleinsten Anlass zu einem Gemetzel gigantischen Ausmaßes kommen.

Was geht die Protestierenden in dieser Lage Israel an? Kann ihnen nicht, wie seit neustem vielen Irakern, der so genannte Nahostkonflikt am Allerwertesten vorbei gehen, haben sie nicht allen Grund, die Palästinenser Palästinenser und Jerusalem Jerusalem sein zu lassen? Nein. Und zwar aus Gründen, die den Deutschen, die nicht nur Freunde Israels, sondern auch der iranischen „Reformbewegung“ sind, niemals aufgehen werden: Weil der Iran die Atombombe zur Vernichtung des jüdischen Staates baut, wird Israel die zur Produktion der Massenvernichtungswaffe erforderlichen Anlagen zerstören müssen. Selbst wenn bei diesen Angriffen keine nukleare Strahlung freigesetzt wird und nur wenige Zivilisten getroffen werden sollten, wird der Krieg, den der Iran Israel dann offen erklären wird, alle Iraner betreffen. Schon aus diesem Grund müsste eine Parole der Protestbewegung „Stop the bomb! Solidarity with Israel!“ heißen. Doch nicht nur deshalb: Der Antizionismus ist die offizielle Staatsideologie des Iran, alle Aggressionen – und zwar nicht nur nach außen, sondern auch nach innen – werden mit der Feindschaft zu Israel begründet. Wer sich dem Regime entgegen stellt oder sich nicht sittenkonform verhält, gilt als Zionist und muss dementsprechend eliminiert werden. Verantwortlich für das Aus-dem-Weg-Räumen ist derzeit niemand anderes als die Avantgarde des islamischen Antisemitismus: Pasdaran, Hisbollah, Hamas. Einigen Protestierenden ist das aufgefallen, aber bisher ziehen sie noch nicht die notwendige Schlussfolgerung, dass die Feinde Israels auch die Feinde der Freiheit der Iraner sind. Erst wenn die Protestbewegung begreift, dass der Antisemitismus das Zentrum der iranischen Staatsideologie ist, wird ihr Kampf erfolgreich sein können. Die Akzeptanz oder Identifikation mit dem Antisemitismus muss letzten Endes zwangsläufig jene abscheulichen politischen Formen annehmen, die für das Regime Ahmadinedschads charakteristisch sind: Ein säkularer Iran, der die antiisraelische Vernichtungspolitik fortführte, ist nicht denkbar. Entweder die Iraner kämpfen für ihre Freiheit, dann muss dieser Kampf die Solidarität mit Israel einschließen, oder sie verbleiben auf den Pfaden Khomeinis, dann muss auch die Freiheit vom Islam – also von Zwang, Unterdrückung und Gewalt – ein Traum bleiben.

Doch von solchen Erkenntnissen ist nicht nur die deutsche Linke weit entfernt. Auch die Bevölkerung und die Herrschenden in Europa und zunehmend sogar in den USA – die Despoten in China und Russland sowieso – verweigern der iranischen Protestbewegung und Israel alle praktische Solidarität. Sie sehen zu, während das Regime in Teheran zu einem zweiten Holocaust ansetzt und die Opposition ermordet. Die Gründe dafür sind nicht nur (aber auch) in politischer Feigheit und wirtschaftlichen Interessen zu suchen, sondern vor allem in jenem Friedenswahn, der die Deutschen zu so guten und verlässlichen Freunden der Juden macht – solange diese sich nur schicksalsergeben abschlachten lassen. Der Pazifismus der Deutschen ist so gesehen nichts anderes als die Sehnsucht nach der Ruhe auf einem Friedhof, auf dem wieder einmal nur Juden – und die, die dazu erklärt werden – begraben sind.

Gegen diesen mörderischen Pazifismus ist die Solidarität mit all den Iranern zu setzen, die für ein besseres Leben – jenseits des Islam und damit auch jenseits des Hasses auf Israel – kämpfen. Die Rufe „Nieder mit Russland!“ und „Nieder mit China!“, mit denen einige Demonstrierende die per Lautsprecher übertragenen üblichen „Tod Israel!“-Sprechchöre während des Freitagsgebets Mitte Juli niederbrüllten, waren ein viel versprechender Anfang. Auch die Tatsache, dass das Grün weitgehend von den Demonstrationen verschwunden ist und dass immer öfter Frauen für kurze Zeit ihr Kopftuch abnehmen, weckt Hoffnung. Dass die nächtlichen „Allahu Akbar“-Rufe auf den Dächern Teherans, die keineswegs nur taktisch motiviert sind, wie die deutsche Presse behauptet, manchmal mit unislamischen Parolen überstimmt werden, ist ebenfalls erfreulich; dass sie aber weiterhin regelmäßig zu hören sind, ist bedrohlich und zwingt die Protestbewegung zu einer wichtigen Entscheidung: Will sie sich weiterhin auf die barbarischen Wahnvorstellungen des schiitischen Islam berufen – allen voran das Märtyrertum – oder ist sie bereit, mit dem Islam radikal zu brechen?

Eine nicht unwichtige Rolle bei dieser Entscheidung spielen die exil-iranischen Organisationen, welche die Protestbewegung im Iran mit Ideologie versorgen und ihr entsprechende politische Anschauungen schmackhaft zu machen versuchen. Gerade deshalb wäre es dringend an der Zeit, dass Gruppierungen wie die Arbeiterkommunistische Partei ihr absurdes Konzept einer „Dritten Kraft gegen US-Staatsmilitarismus und islamischen Terrorismus“ in den Mülleimer befördern würden, anstatt dem Antiimperialismus, dessen Vorhut schließlich in Teheran an den Schalthebeln der Macht sitzt, weiterhin Avancen zu machen. Dass die wackeren Leninisten, die in punkto Israel noch nicht ein Wort der Kritik an dem verhassten Regime geäußert haben, weiterhin den antiimperialistischen Jargon pflegen, liegt auch an der deutschen Linken – etwa an einem Bündnis, dem es Ums Ganze und schon deshalb nicht um Israel geht –, die ihre iranischen Genossen in diesem Irrsinn noch bestärken, anstatt sie mit der gerade jetzt so dringend gebotenen Solidarität mit Israel zu konfrontieren. Denn: Es ist derselbe Kampf.

Solidarität mit Israel!
Nieder mit der Islamischen Republik!

همبستگی با اسرائیل!
کردن با جمهوری اسلامی!


(5. August 2009)

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