Keinen Fußbreit für niemand!
Ein Nicht-Aufruf anlässlich des Duisburger Spektakels am 27./28. März 2010

Nach dem gescheiterten Versuch vor anderthalb Jahren, einen so genannten „Antiislamisierungskongress“ in Köln auf die Beine zu stellen, zu dem namhafte Nazis und Basisdemokraten aus ganz Europa eingeladen waren, plant die selbst ernannte „Bürgerbewegung“ Pro NRW erneut, das Unbehagen großer Teile der Bevölkerung gegenüber dem Islam für ihre fremdenfeindlichen Kampagnen einzuspannen. Beflügelt vom Erfolg der Schweizer Volksabstimmung für ein Minarettbauverbot hat Pro NRW für den 27./28. März in Duisburg mehrere Veranstaltungen zum selben Thema angemeldet. Zwar beteuert der Vorsitzende von Pro NRW, Markus Beisicht, in der Wahlkampfzeitung: „Wir wenden uns nicht gegen Fremde“, doch zugleich wird die Ablehnung einer Ausbreitung des Islam mit einem Widerstand gegen „Überfremdung“ gleichgesetzt. „Heimat“ wird im völkischen Sinne als Verbindung von Blut und Scholle naturalisiert; wie der türkische Ministerpräsident Erdogan behauptet auch Pro NRW, Menschen, deren Eltern oder Großeltern in der Türkei geboren sind, seien Türken. Die Absicht von Pro NRW besteht darin, Deutschland von „Fremden“ zu säubern, also ein ethnisch homogenes Kollektiv zu schaffen, das als Wehrvolk gegen innere und äußere Bedrohungen zusammen steht. Es ist dies, trotz des zivilgesellschaftlichen Anstriches, ein deutschnationales Programm, das nicht weit entfernt ist von dem der NPD, die am selben Wochenende ebenfalls in Duisburg gegen „Überfremdung“ demonstriert.

Wären Pro NRW und NPD erfolgreiche Parteien, die auf große Zustimmung in der Bevölkerung stoßen würden, so wäre es nur vernünftig, gegen sie auf die Straße zu gehen. Doch anders als die Linke, angestachelt durch ihre Sehnsucht nach dem Ausnahmezustand, behauptet, steht kein „neues 33“ vor der Tür, sondern die Deutschen sind sich in ihrer absoluten Mehrheit einig darin, dass Rechtsextreme zu bekämpfen sind. Der Islam ist vielen Deutschen zwar nicht ganz geheuer, weil in den letzten Jahren allzu viele bedrückende Nachrichten aus den Parallelgesellschaften bekannt wurden, aber von einer allgemeinen Feindschaft gegen „Muslime“ ist nichts zu sehen. Im Gegenteil: Wenn 80% der Deutschen antirassistisch ausgeschlachteten Umfragen zufolge „negative Gefühle“ verspüren, wenn sie das Wort „Moslem“ hören, dann kann das nicht per se als Hinweis auf Fremdenfeindlichkeit interpretiert werden. Denn der emotionale, also irrationale Abscheu gegenüber dem Islam, der die staatsoffizielle Islamophilie immer wieder durchkreuzt und Demagogen aller Art regelmäßig Auftrieb gibt, ist durchaus mit einer rational begründbaren Ablehnung gegenüber „Ehrenmorden“, islamischen Allmachtsansprüchen und antisemitisch motiviertem Terror vermischt. Die von Sarrazin und anderen propagierte Fremdenfeindlichkeit, die mit einem Wohlstands-chauvinismus und dem Ruf nach dem starken Staat verbunden ist, kann zwar regelmäßig an die „Gefühle“ großer Teile der Bevölkerung andocken, aber dies ändert nichts daran, dass nicht jede Feindschaft gegenüber dem Islam als Xenophobie denunziert werden darf. Die Islamkritik von der Straße ist nicht nur irrational. Dies manifestiert sich sogar noch in den Propagandaschriften von Pro NRW, die als Populisten ja stets darauf zielen, die Ängste und Befürchtungen der Bevölkerung aufzugreifen: Die schnöde Fremdenfeindlichkeit wird von Pro NRW immer wieder mit einer durchaus vernünftigen Kritik an der islamischen Alltagspraxis (beispielsweise an der spezifisch islamischen Form der Unterdrückung von Frauen) verquickt, weil man mit offen xenophoben Parolen heutzutage keinen Blumentopf mehr gewinnen kann.

Die Elite der Zivilgesellschaft, jene unheimliche Mischung aus Feuilletonisten, Politikern, Akademikern, „Kreativen“ und Studienräten, ist das genaue Spiegelbild der Rechtsextremen. Warnen diese vor „Überfremdung“, so loben jene die Menschen wegen ihrer „fremden Kultur“ und sehen in allem, was nicht deutsch ist, eine „Bereicherung“. Beide Lager haben gemein, dass sie den Universalismus der Aufklärung, dem immer schon die Tendenz zum Scheitern innewohnte, gegen einen menschenfeindlichen Kulturalismus eingetauscht haben. Aus diesem Grunde sind die „Guten“ so fundamental unfähig, das totalitäre „System“ Islam zu kritisieren, wie die „Bösen“, Ideologie und Herkunft voneinander zu trennen.  Wenn sich, wie am 27. und 28. März in Duisburg, Deutsche gegenüberstehen, dann sollte man sich da nicht einmischen. Sie teilen dieselbe Geschäftsgrundlage, die Sortierung der Menschen nach Herkunft und ihre Zurichtung zu schützenswerten kulturellen Kollektiven.

Weil auch noch die „Linksradikalen“ unter den Deutschen in Duisburg mitmischen, die sich darin gefallen, „Schnittmengen zwischen der Linken und dem Islam“ (Oskar Lafontaine) zu entdecken und einen antiimperialistischen Antikapitalismus zu propagieren, der dem von Gregor Strasser bzw. Osama Bin Laden in nichts nachsteht, ist es vollends absurd, sich an den Streitigkeiten zwischen den verschiedenen Fraktionen deutscher Ideologie zu beteiligen. Initiativ e.V., Linkspartei (etwa der ehemalige Oberbürgermeisterkandidat der Linkspartei in Duisburg, Hermann Dierckes) und die NPD sind sich vollends einig in ihrem Hass auf die Juden. Eine Scheidelinie zwischen linkem und rechtem Antizionismus ziehen zu wollen ist etwa so sinnvoll, wie das Ruhrgebiet zur „Europäischen Kulturhauptstadt“ zu krönen. Und deshalb nimmt es auch nicht wunder, dass die so genannte Zivilgesellschaft, die den Jargon der „berechtigten Israelkritik“ gelernt hat, keine Probleme damit hat, mit militanten Antisemiten aus der Linken gegen militante Antisemiten aus der Rechten zu demonstrieren. Man versteht sich.

Die „antideutschen“ oder „antinationalen“ Antifagruppen, die sich angesichts dieses Szenarios ganz differenziert und „emanzipatorisch“ gegen „antimuslimischen Rassismus“ und „Islamismus“ zugleich wenden, realisieren offenbar nicht, dass sie dem deutschen Treiben die Weihen der aufgeklärten Kritik verleihen. Anstatt zu fordern, dass „die soziale Frage“ und „die Ursachen, die Phänomene wie Islamismus auslösen, [...] grundlegend erörtert“ werden, wäre eine entschiedene Absage an solcherlei Rationalisierungen des radikalen Islam zu formulieren. Denn die „soziale Frage“ wollen die Duisburger Moslemextremisten von Human Dignity Rights, Pro Köln und die SPD genauso diskutiert wissen wie die Antifa – in ihrem Affekt gegen den Finanzkapitalismus und die wurzellose Globalisierung unterscheiden sie sich allenfalls in der Wortwahl. Wer den Islamismus auf eine „soziale Frage“ zurückführen möchte, der betreibt Kapitalismuskritik im deutschen Sinne und redet der allseits beliebten „Verzweiflungstat“-Apologie des Islam das Wort. Kapitalismus- und Islamkritik auf diese Weise zusammenzupappen bedeutet, den Islam als antikapitalistische Bewegung nicht ernst zu nehmen.

Zu fordern wäre daher, dass die Bürger in Anlehnung an das alte APPD-Konzept vom „Gewalterlebnispark“ mit der Forderung „Nazis raus“ ernst machen und mittels einer Menschenkette dafür sorgen, dass die Kabbeleien auf einem eingegrenzten Gebiet außerhalb der Innenstadt stattfinden, damit sympathischere Personen, die nur einen Stadtbummel machen wollen, nicht mit dem Spektakel belästigt werden.  Die Polizei könnte sich dann mal frei nehmen und den Mob sich selbst überlassen.

Georg-Weerth-Gesellschaft Köln
25. März 2010


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