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Schlemmen, Shoppen und Israel hassen – alles in Ihrem Bahnhof
Wer gezwungen ist, im Raum Köln den
Nahverkehr zu nutzen, ist nicht nur dazu verurteilt, sich wider
besseres Wissen immer wieder in die Hände der Deutschen Bahn zu
begeben, sondern muss früher oder später (meistens später) den
Hauptbahnhof Köln betreten. Dort wartet unterhalb von Gleis 4 und 5
eine überteuerte und langweilige Shoppingmeile auf den Fahrgast, die zu
allem Übel regelmäßig von stumpfsinnigen Dekorateuren mit
eventorientiertem Firlefanz, während Welt- und Europameisterschaften
mit einer Großleinwand und im Winter mit einer schäbigen
Weihnachtskrippe ausgestattet wird, die Köln in seiner unschuldigen
Nachkriegszerbombtheit als Thema hat.
Nun ist nicht zum ersten Mal die Wanderausstellung von World Press Photo
zwischen die Fressbuden gezogen, denn das Bahnhofsmanagement möchte
seit längerem dem Anspruch kulturindustrieller Aufhübschung und sogar
politischer Aufklärung gerecht werden. Die Passage ist im Lauf der
letzten Jahre für alles Erdenkliche offen gewesen, mit Ausnahme der
einzigen Ausstellung, die tatsächlich irgendeine Verbindung zum
Bahnhofsgebäude hätte vorweisen können: Gegen die Photographien damals
noch lebender jüdischer Kinder, die später mit der Bahn nach Auschwitz
und zu den anderen Endhaltestellen der Vernichtung gefahren wurden,
erhob noch Bahnchef Mehdorn trotz großen öffentlichen Interesses
persönlich Einspruch: „Auf Bahnhöfen herrscht Hast und Eile. Es sind
keine Orte für ein derart ernstes Thema wie den Holocaust. Es kann dort
keine seriöse, tiefgehende Befassung mit solch einem Thema geben. Wir
kennen unsere Verkehrsstationen und die Menschen, die sich dort
aufhalten. Ich bin sogar geneigt zu sagen, wenn man es doch täte, wäre
das kontraproduktiv. ‚Shock and go’ funktioniert nicht mehr.“ (FAZ vom 7.11.2006: „Wir Bahner brauchen keine neue Ausstellung, wir haben eine“)
Doch die zur Zeit von World Press Photo
betriebene, plakative Zurschaustellung palästinensischen Leidens, die,
unter Auslassung jeglichen ernstzunehmenden Kontextes, dem Zuschauer
wieder und wieder die Parole „Kindermörder Israel“ einhämmern soll, ist
der Bahn und vielen ihrer Bahnhofsbesucher anscheinend willkommen. Im
gleichen Stil wie bei der Hisbollah und der Hamas wird hier Information
nur vorgetäuscht, um schockierende Bilder von Kinderleichen und
Luftangriffen an den Mann zu bringen. Die wahre Botschaft der
selbstverständlich preisgekrönten Bilder ist: Die Juden sind unser
Unglück, sie belästigen alte Frauen, töten unschuldige Kinder und
bombardieren wehrlose Städte. Ein unausgesprochenes Einverständnis von
Ausstellern und Publikum sorgt für einen steten Andrang vor dem
Prachtstück der Ausstellung, dem toten Mädchen im Schutt; ein Bild, das
selbstverständlich niemanden unberührt lässt.
Die Manipulation geht nicht nur von den Ausstellern und Fotografen aus,
sondern wird vom Zuschauer selbst betrieben. Wem nämlich ein aus dem
Zusammenhang gerissenes, aber emotional starkes Leichenbild genügt, um
sein Fazit zum schrecklichen Staat Israel zu machen, will auch nichts
vom jahrelangen Raketenbeschuss durch die Hamas wissen, oder von den
unzähligen, gezielten Angriffen der moslemischen Fanatiker auf
israelische Zivilisten, oder von der von der Hamas ständig offen
geäußerten Absicht, Israel auslöschen zu wollen.
Man verschlingt diese ideologische Zurüstung also zwischen zwei Zügen,
im Stehen, wie eine Portion Pommes, und betritt seinen Heimatzug im
Gefühl, ein wenig aufgeklärter zu sein. Das Gegenteil ist der Fall, die
Bilder sind moralische Erpressungsversuche, die nur den Todfeinden
Israels nützen.
Die Ausstellung von World Press Photo
zeigt verschiedene Szenen, die während des Gaza-Krieges 2008/09
aufgenommen wurden. Dazu werden dem Betrachter scheinbar neutrale,
„objektive“ Bildunterschriften gereicht.
Auf einem Foto ist ein israelischer Raketenangriff zu sehen.
Unterschrift: „Palästinensische Zivilisten und Sanitäter bringen sich
am 17. Januar während eines israelischen Angriffs auf eine UN-Schule in
Bait Lahia, im Norden des Gazastreifens, in Sicherheit.“ Die
Weglaufenden sollen auf keinen Fall Hamas-Mitglieder sein, sondern
Zivilisten und Sanitäter – also Leute, die nach landläufiger Meinung
generell unschuldig sind. Mit dem Verweis auf die UN-Schule wird das
Unrechtsbewusstsein des Betrachters noch mehr angeheizt, schließlich
wird einfach verschwiegen, dass die betreffende Schule der Hamas als
Unterschlupf diente und sie von dort aus auf Israel Raketen schoss (Die
Welt, 9.5.10). Nachzuforschen, was passiert ist, ist aus der
Perspektive von World Press Photo
überflüssig, weil die Bilder für sich selbst sprechen. Dass sie das nur
insofern tun, als der Fotograf auswählt, was er fotografiert und was
nicht, welche Symbole er vor die Linse nimmt und welche nicht, das
stellt die Agentur nicht zur Debatte, denn sie will ja „unterdrückte
Wahrheiten“ verbreiten. Bei den Fotos handelt es sich tatsächlich um
Montagen, auch wenn der Monteur völlig ohne Photoshop ausgekommen ist.
Die Mischung von Motivauswahl, Symbolgehalt und textlicher Anweisung
kreiert erstklassige Propagandabilder, die sich die Hamas unbedingt für
die nächste Kampagne ausleihen sollte.
Auf einem anderen Foto ist ein junger Mann zu sehen, der eine tote, in
weiße Leichentücher eingehüllte Frau küsst. Offenbar will er sich von
ihr verabschieden, der Ort des Geschehens erinnert stark an eine
Leichenkammer in einem Krankenhaus. Darunter steht: „Ein junger Mann
küsst die Leiche einer palästinensischen Frau nach einem späteren
Angriff auf die Stadt Bait Lahia, 24. August.“ Auch diese Szene könnte
sich an jedem anderen Tag ereignet haben, es könnte genauso gut ein
Unfall, ein Selbstmord oder der islamische Lynchmob der Grund für das
Ableben der Frau gewesen sein, aber wichtig ist, tote Palästinenser –
am Besten junge Frauen und Kinder – zu präsentieren, wie das Bild mit
dem aus Geröll und Staub hervorguckenden Kopf eines toten Mädchens.
Israelische Personen kommen auf fast allen Bildern nicht vor, sie
sollen als im Unsichtbaren mordende, Gräuel hinterlassende,
gesichtslose, also unmenschliche Ungeheuer wirken. Auf einem einzigen
Bild sieht man einen jungen orthodoxen Juden, der eine sich
wegduckende, islamisch gekleidete Frau demütigt, indem er sie mit
Rotwein übergießt. Aus dem Untertitel erfährt man, dass es sich bei der
Frau um eine Palästinenserin handelt. Direkt neben der Frau prangt an
einer Hauswand ein riesiges Davidstern-Graffiti, das anzeigen soll, wer
der Herrscher und wer der Beherrschte ist.
Es fällt auf, dass World Press Photo
sehr häufig porträthaft arbeitet. Im Zentrum der betreffenden Bilder
ist oft ein Gesicht zu sehen, das dann wahlweise tot, schmerzverzerrt
oder ängstlich aussieht. Dennoch entpuppt sich die Unmittelbarkeit im
Rahmen der Ausstellung als simuliert, die präsentierten Menschen haben
keine Geschichte, sondern sind weitgehend austauschbare Symbole, die
nur dazu da sind, Israel moralisch abzuurteilen.
Der Fotograf interessiert sich nicht für ihr Leben, für die
Drangsalierung durch Partei, Bewegung, Apparat, Familie, Nachbarschaft
und auch nicht für ihre Arbeitslosigkeit, ihr Liebesleben oder ihre
Hobbys. Das Konkrete, mit dem er wuchert, ist ein vorgetäuschtes, die
Aura nichts als Lüge. Diese Lüge rührt daher, dass der Fotograf der
unsichtbare Dritte ist, der in den Fotos spricht. Der Gegenstand wird
manipuliert und damit auch der bereitwillige Betrachter. Der Fotograf,
der die Realität angeblich nur abbildet, in Wahrheit aber eine
Scheinrealität konstruiert, produziert eine message,
die direkt seinem Antisemitismus entspringt. Es ist das Vor-Urteil, das
sich in den scheinbar nüchternen Tatsachendarstellungen niederschlägt,
die „Tatortabbildungen“ werden als „klare Indizien“ vor den virtuellen
Volksgerichtshof in der Bahnhofshalle gezogen. Was Fakt ist und was
Fiktion, das entscheidet nicht die sorgfältige Analyse, sondern das
Ressentiment, das in der Fotografie sein perfektes Medium findet. Die
ausgestellten Fotos behaupten, unmittelbare Wahrheit auszudrücken, und
in gewisser Weise ist das richtig: Sie bilden nicht die Lage der
Palästinenser ab, aber sehr wohl das, was sich im Kopf des Fotografen
abspielt. Und die andächtigen Besucher des Instant-Museums, die sich
hier eine orwellsche Hassminute gönnen, gehören unbedingt zum
Gesamtkunstwerk.
Dieses Flugblatt fordert nichts von der Ausstellung, auch nichts vom
Bahnhofsmanager des Kölner Hauptbahnhofs, und auch nichts von den
Passanten, die sich hier einen antisemitischen Snack abholen, sondern
es dient dazu, sich auch an dieser Stelle mit Israel solidarisch zu
erklären und den verlogenen „Menschenrechtlern“ von World Press Photo und ihren Fans unsere Verachtung auszudrücken.
Gegen die antizionistische Hetze!
Lang lebe Israel!
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